Neben dem Hof dominiert das Baronenhaus mit seinem stattlichen Baukörper, dem Turm, seiner kraftvoll ausgeprägten Arkade und der dekorativ bemalten Fassade den Hofplatz. Der Kunsthistoriker Bernhard Anderes bezeichnet es als den letzten herrschaftlichen Grossbau im Kanton St. Gallen, der, obwohl in der Ausstattung klassizistisch, noch barocke Baugesinnung verkörpert.
Zur Geschichte und Baugeschichte
Der Bauherr
Diesen jüngsten Bau am «Goldenen Boden» schuf 1795 der Reichsvogt Josef Pankraz von Grüebler (1737-1803). Sein Geschlecht war aus dem Toggenburg nach Wil gezogen und besass bereits seit 1500 das Wiler Bürgerrecht. Er war der vom Reich bestellte Vorsitzende des Hochgerichts in Wil an Stelle des Abtes. 1772 berief ihn Fürstabt Beda Angehrn (reg. 1767-1796) in dieses Amt. Als Reichsvogt war er Mitglied des Pfalzrates, der vom Abt eingesetzten höchsten Richter- und Verwaltungsbehörde im Wiler Amt. Seine gehobene Stellung zeigte sich auch durch die Heirat 1764 mit Maria Theresia von Bayer, die der reichsten Kaufmannsfamilie in Rorschach angehörte. Im Mai 1795 wurde Grüebler zusammen mit seinem Schwiegersohn Johann Nepomuk Wirz ä Rudenz durch den Fürstabt mit der Verleihung des «St. Gallischen Adelichen Gottshaus mannrechtbriefes» geadelt, was ihnen gestattete, den Titel eines Barons zu tragen (dies brachte dem Haus den Namen). Mit dem Untergang der äbtischen Herrschaft 1798 verlor Grüebler seine Ämter; er blieb jedoch ein hochgeachteter Bürger des Stadt Wil und starb 1803 wenige Wochen nach der Gründung des Kantons St. Gallen. Zur Zeit der Helvetik war er der erste Präsident der Munizipalität.
Die finanziellen Verhältnisse gestatteten Josef Pankraz von Grüebler eine aufwändige Bautätigkeit in seiner Heimatstadt. Bereits 1774 liess er ausserhalb des äusseren unteren Tores einen stattlichen Barockbau mit einem ausgeprägten Mansarddach errichten, in dem später sein Schwiegersohn Johann Nepomuk VVirz ä Rudenz wohnte, was dem Haus den Namen Rudenzburg verlieh.
Nach dem Verkauf seines Anteils an der Herrschaft Griesenberg 1795 konnte Josef Pankraz von Grüebler drei Liegenschaften erwerben, die ihm erlaubten, an prominenter Stelle in Wil einen Palast zu errichten. Er erwarb von seinem Bruder Gallus Niklaus sein Vaterhaus, welches an das Haus zum «Anker» stiess, und die anschliessenden Häuser, in denen die Familien Hafner, Renner und Schlatter wohnten. Um die Mauerkerne dieser Liegenschaften entstand das neue Baronenhaus, das ein einheitliches Erscheinungsbild besitzt und seine historische Vergangenheit im Innern nur mehr erahnen lässt. Der Tradition nach entwarf der Bauherr die Pläne selbst, und 1797 dürfte laut Datum an einem Kachelofen und an inneren Wandmalereien der Ausbau vollendet gewesen sein.
Als 1803 der Bauherr ohne männliche Nachkommen starb, gingen die Rudenzburg und das Baronenhaus an seinen Schwiegersohn Johann Nepomuk Wirz ä Rudenz über. In der Folge bewohnte der ehemalige Reichsvogt, Hofammann und Kantonsrat Gallus Niklaus Grüebler das Baronenhaus bis zu seinem Tod im Jahre 1807. In jener Zeit stand das Baronenhaus der weitverzweigten adeligen Verwandtschaft als Absteige und Wohnsitz zur Verfügung. Nach dem Tod der letzten Tochter Babette von Wirz ä Rudenz verkaufte die Erbengemeinschaft das Baronenhaus 1887 dem verschwägerten Josef Sebastian Bannwart (1840-1916), Advokat und nachmaliger Stadtammann. Dessen Sohn, Dr. Josef Bannwart (1877-1955), führte darin eine Arztpraxis und verkaufte schliesslich 1952 die Liegenschaft an die Ortsgemeinde Wil. Diese liess das Gebäude durch die Architekten HANS FRANK und OTTO STIEFEL restaurieren, und seither findet das Baronenhaus als Amts- und Repräsentationshaus der Ortsgemeinde Verwendung. Mit den Archivräumen im Erdgeschoss, einer Dienstwohnung, Büros, Sitzungszimmern und den eigentlichen Schauräumen im zweiten und dritten Obergeschoss findet der historische Bau eine sinnvolle und schonende Nutzung. 1993/94 fand unter der Leitung von Architekt LUKAS PETERLI eine konservierende Restaurierung statt, die nicht nur die Fassaden, sondern auch die wertvollen Innenräume umfasste.
(Ausführlichere Beschreibung mit vielen Fotos aus der Geschichte des Baronenhauses unter www.wilnet.ch)